Im Stadtteil Vauban ergaben Beprobungen von Oberflächenwasser an verschiedenen Versickerungsmulden Biozidkonzentrationen von bis zu 0,35 µg/l für Terbutryn, 0,25 µg/l für Mecoprop, 0,17 µg/l für Diuron und 0,11 µg/l für Octhilinon. Dies sind Größenordnungen, die auch aus Trennkanalisationen anderer Städte bekannt sind. Zusätzlich ließen sich sieben TP von Terbutryn und eines von Diuron, jedoch keines von Octhilinon nachweisen. Um die Herkunft der Biozidbelastung weiter zu erforschen, wurde eine nordexponierte 14-jährige Fassade über zwei Stunden beregnet und das abtropfende Wasser auf seinem Weg in die Versickerungsmulde mehrfach beprobt. Es gab Positivbefunde in vereinzelten Proben für Terbutryn und Octhilinon. Jedoch war insbesondere Diuron und das Photo-TP Diuron-Desmethyl in allen Proben in hohen Konzentrationen nachweisbar, wobei direkt unterhalb der Fassade mit 0,59 µg/l eine 30-fach höhere Konzentrationen für Diuron-Desmethyl als für die Muttersubstanz Diuron (max. 0,017 µg/l) ermittelt wurden.
Zusätzlich wurde das Grundwasser beprobt. Dabei konnten Diuron und Terbutryn sowie sechs Terbutryn-TP im Rigolenkörper des Versickerungssystems nachgewiesen werden. Auch im umliegenden Grundwasser waren mit Ausnahme von Mecroprop alle untersuchten Biozide nachweisbar mit maximalen Konzentrationen von 0,02 µg/l (Diuron), 0,005 µg/L (Terbutryn) und 0,001 µg/L (Octhilinon). Neben vier Terbutryn-TP konnte jeweils ein TP von Octhilinon und Diuron gemessen werden. Für letzteres, Diuron-Desmethyl (Photo-TP von Diuron), konnte eine maximale Konzentration von 0,05 µg/l im Grundwasserabstrom des untersuchten Mulden-Rigolen-Systems ermittelt werden. Während Diuron und Terbutryn kontinuierlich messbar waren, konnte Octhilinon lediglich bei einer Stichtagsbeprobung in Spuren nachgewiesen werden. Durch Verdünnung im Aquifer lagen die Konzentrationen zwar deutlich unterhalb von Trinkwassergrenzwerten, waren jedoch besonders für Diuron im Grundwasserabstrom höher als im Grundwasseranstrom. Dies legte den Schluss nahe, dass die Barrierewirkung der Bodenpassage in der Versickerungsanlage im vorliegenden Fall unzureichend war. Aufgrund der bereits im Grundwasseranstrom nachgewiesenen Biozidbelastung, insbesondere für Terbutryn als Indikator für Fassaden, und der zwar geringen aber flächenhaft aufgetretenen Octhilinonbelastung, kamen weitere Eintragspfade ins Grundwasser in Betracht, insbesondere die Direktversickerung von Fassaden über Kiesdrainagen entlang der Hauswand.
Zwar liegen für den Stadtteil somit detaillierte Monitoringdaten aus allen Komponenten des urbanen Wasserkreislaufs und insbesondere auch aus dem Grundwasser vor, es fehlt aber bislang eine verbindende Modellierung, welche die Relevanz verschiedener Eintragspfade und das damit verbundene Risiko näher beleuchten würde. Zusätzlich ist eine flächenhafte Abschätzung des Gesamtgrundwassereintrags aus dem Stadtteil bislang nicht erfolgt.
Für den Stadtteil Vauban soll der Grundwassereintrag von Bioziden am Beispiel von Terbutryn, Diuron, Octhinilon und ausgewählten Transformationsprodukten flächenhaft abgeschätzt und einzelne Eintragspfade getrennt bewertet werden. Dabei sollen vorhandene Daten schrittweise in ein gestaffeltes Modellportfolio einfließen.
1. Flächenhafte Abschätzung der Biozidfracht
Mit dem Modell FREWAB-PLUS (www.biozidauswaschung.de) steht ein anwenderfreundliches Werkzeug zur Verfügung, das den Gesamtaustrag von Bioziden aus Fassaden in definierten urbanen Einzugsgebieten abschätzen kann. Dabei geht die jeweilige Fassadenfläche (über die Gebäudehöhe und -breite), das Fassadenalter, sowie der Fassadenanschluss (drainiert die Fassade auf eine un-, teil- oder vollversiegelte Fläche?) in die Abschätzung ein. Am Ende ergeben sich Biozid-Austragsfunktionen in Tagesschritten, die für den Stadtabfluss an jedem Punkt in einem ausgewählten Einzugsgebiet bestimmt werden können. Die bestehende FREWAB-PLUS-Modellierung für das Einzugsgebiet des obersten Zulaufs des Mulden-Rigolen-Systems wird dabei für den gesamten Stadtteil Vauban erweitert. Dazu wird eine umfangreiche Kartierung von Fassadentypen (Anschluss an Garten, versiegelter Fläche oder Kiesdrainage) durchgeführt.
2. Flächenhafte Abschätzung der Grundwasserneubildung
FREWAB-PLUS wurde nur für eine Abschätzung des Oberflächenabflusses ausgelegt, eine Abschätzung von Verdunstung und Grundwasserneubildung erfolgt in diesem Ansatz nur näherungsweise. Um die räumliche Grundwasserneubildung besser abschätzen zu können, wird das Modell Urban-RoGeR verwendet, das im gleichen Einzugsgebiet angewendet wurde und die urbane Wasserbilanz mit einem hohen Detailgrad realitätsnah abbilden kann.
3. Grundwassermodellierung von Strömung und Biozidtransport
Die räumlichen Muster von Biozidfracht (FREWAB-PLUS) und Grundwasserneubildung (Urban-RoGeR) dienen als Input für ein flächendetailliertes Grundwassermodell im Stadtteil Vauban. Hierfür soll das Modell MODFLOW verwendet werden. Zur Modellkalibrierung stehen Daten aus der Altlastenüberwachung (GW-Spiegel und Ausbreitung der Schadstofffahne) zur Verfügung. Ist das Modell angepasst, können schrittweise verschiedene Schadensherde für Biozideinträge (z.B. Mulden-Rigolen-Systeme) in das Modell implementiert werden. Zu Beginn wird nur konservativer Stofftransport (Advektion und Dispersion) berücksichtigt. Die MODFLOW-Ergebnisse werden mit den verfügbaren Monitoringdaten im Grundwasser verglichen. Ein Abgleich von gemessenen und modellierten Konzentrationen ermöglicht schließlich eine Verortung von Eintragspfaden und eine Plausibilisierung des flächenhaften Biozideintrags für den gesamten Stadtteil.
Jens Lange und Felicia Linke
Jens Lange jens.lange@hydrology.uni-freiburg.de Tel. +49 (0)761 / 203-3546
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